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Agnes T. Ackerl | all galleries >> Various Projects >> My Little Corner of the World >> Thoughts and Stories > Die alte Frau auf der Parkbank (Eine kleine Zukunftsvorstellung)
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Die alte Frau auf der Parkbank (Eine kleine Zukunftsvorstellung)

Ich werde einmal die alte Frau sein, die auf der Parkbank sitzt und Tauben füttert. Falten haben mein Gesicht überzogen. Meine Kleidung ist ein bunter Haufen wahllos zusammengestückelter Fetzen, die in einer anderen Kombination, mit einer jüngeren Person darin vor fünfzig Jahren gut ausgesehen hätte. Ich stinke nach Alter und ungewaschener alter Frau. Auf meiner Nase kleben ein paar Furunkel.

Meine Haare sind nicht kurz und annähernd gepflegt wie die von netten alten Frauen. Sie sind verwuschelt, fettig, weiß und lang. Die Zeiten sind vorbei, als ich mir noch selber meine Zöpfe flechten konnte. Auf meinem Kopf thront ein schäbiger Hut mit einer Feder.

Das Gehen ist schwer für mich. Wanke ich über die Straße, dann brauche ich eine halbe Stunde um sie zu überqueren. Ich gehe immer dann über die Straße wenn gerade viel los ist. Um in einen Bus einzusteigen brauche ich doppelt so lange. Jeder, der mir helfen will wird von meinem Gehstock zurechtgewiesen. Wenn das zu unrealistisch ist, lasse ich mir stattdessen eine laute Schimpftirade einfallen.

Mein Leben ist gekleistert von unzähligen zerplatzten Träumen und unglücklichen Lieben. Märchenprinzen habe ich viele kennen gelernt. Entweder sie haben mich verlassen, so lange sie noch Prinzen waren oder sie haben sich in einen stinknormalen Menschen verwandelt. Dann habe ich sie verlassen.

Kinder, falls sie existieren sind irgendwo im Ausland, rufen gelegentlich einmal an. Ich habe schon vergessen wer sie sind. Manchmal passiert es, dass ich die jungen Damen vom Pflegedienst für meine Töchter halte. Es sei denn, die Pflegerinnen sind Ausländerinnen.
Diese werden von mir immer beschuldigt, meine wertvollen Sachen zu stehlen, die ich in meiner Vergesslichkeit irgendwo versteckt habe. Könnte sein, dass die Damen deswegen so oft ausgetauscht werden.

Ehemann habe ich keinen. Wenn ich mal einen gehabt habe, wird er tot sein oder sich mit seiner zwanzigjährigen Freundin irgendwo in der Karibik vergnügen. Vielleicht habe ich ihn auch vergiftet. Falls er mich verlassen hat oder selbst eines natürlichen Todes gestorben ist, wird mein Gehirn aufgrund all meiner bitteren seelischen Schmerzen meines Herzens einen kleinen Knacks abbekommen haben. Ich sitze dann draußen bei meinen Tauben und glaube er lebt noch. Könnte sein, dass er gerade ein paar Tage auf Urlaub ist.

Als ich jung war, war ich sehr hübsch. Ich war so begehrenswert, dass die Männer bei mir Schlange gestanden haben. Ganz bestimmt. Es muss wahr sein. Jedes junge Mädchen, das sich ahnungslos in meine Fänge begibt muss sich mindestens eine Dreiviertelstunde anhören wie toll ich nicht war.

Die meisten Männer in meinem Alter sind im letzten Weltkrieg gestorben. Die, die übrig sind, sind genauso alt, ekelig und verwirrt wie ich. Wenn sie sich noch für Frauen interessieren, dann mit Sicherheit nur für jüngere. Würde ich auch noch an Männern Geschmack finden, dann vermutlich auch nur an jüngeren, die aber sich nicht für mich. Ist aber kein Problem, für mich ist nur wichtig, dass es meinen Tauben gut geht.

Meine Freundinnen sind im Laufe der Zeit alle gestorben, die letzte vor ein paar Wochen. Kann auch länger her sein, Zeit spielt für mich keine Rolle mehr, ich kann sie nicht mehr im Kopf behalten.

Jede andere alte Frau, die es geschafft hat, auch in mein hohes Alter zu kommen ist eine potenzielle Feindin. Zusammenstoßen werden wir, wenn wir uns um die besten Plätze in der Straßenbahn streiten.

Ich gehöre bestimmt nicht zu den netten alten Damen, die Kinder mögen und ihnen Süßigkeiten schenken. Mir wäre dann zu langweilig. Ich beschimpfe sie lieber. Kinder sind laut, dreckig und schlecht erzogen. Ich bin nur nett zu ihnen, wenn sie klein sind und blondes, gelocktes Haar haben. Je größere Gfraster sie sind, umso mehr werden sie von mir verwöhnt.

Vor kurzem ist mein Hund gestorben. Er war mein ein und alles und abgesehen von den paar Leuten, die ich gelegentlich einfach anrede, war er mein einziger Gesprächspartner. Wenn es im Gebüsch raschelt glaube ich es ist mein geliebter Fluschel. Alle Menschen mit Hunden werden Opfer meiner unzähligen Geschichten über mein verstorbenes Haustier sein. Während ihr eigener kleiner Köter sich im Gras wälzt, erzähle ich, wie auch mein Kleiner das gemacht hat, bis er auf eine vergiftete Semmel mit Rattengift gestoßen ist. Der Hundebesitzer wird verkniffen zu seinem Liebling rübersehen und ich erzähle ihm munter weiter von meinen lustigen alten Geschichten, die erstens nicht interessant sind und sich zweitens ohnehin wiederholen. Nach einer Weile wird er aufspringen und so tun, als müsse er seinen Hund davon abhalten irgendetwas Dummes zu tun. Er kommt nicht mehr zurück. Mir fällt es nicht auf, ich plaudere munter weiter, bis ich vergesse zu wem ich eigentlich geredet habe.

Hunde von Ausländern werden von mir beschimpft. Wie können diese unverantwortlichen Leute, die ohnehin schon die Frechheit besitzen in das heilige Land, in dem ich lebe einfach einzuwandern und unseren jungen Menschen die Arbeit wegzunehmen. Ich lebe zwar von meiner kleinen Mindestpension, aber da ich eine Frau bin, die mitbekommt was in diesem Land geschieht, kann ich nicht einfach blind zusehen. Natürlich bin ich die einzige Person, die sich traut etwas zu sagen. Ich sage auch, wenn es mich stört, dass diese Leute ihre Hunde auf die Wiese loslassen, die dann so dreckig ist, dass unsere Kinder nicht mehr darauf spielen können. Wäre die rechtsradikalste Partei in unserem Land an der Macht, gäbe es so etwas nicht.

Parties und Exzesse habe ich in meinem Leben unzählige Male gefeiert. Doch egal, wie Ausschweifend, wie skandalös mein Leben war, es wird Nichts im Gegensatz zur Jugend sein. Jeder der jünger ist als ich wird von mir als jugendlich bezeichnet.
In den öffentlichen Verkehrsmitteln zucke ich gelegentlich verwirrt mit dem Kopf und rede mit mir selber. Wer sich neben mich setzt, wird von mir angeredet. Macht er den Fehler und geht auf mein Geschwafel ein, kann er damit rechnen, dass er mir die ganze Fahrt zuhören muss und auch, wenn ich ihn irgendwo auf der Straße treffe. Egal wie vergesslich ich bin, diese Leute bleiben in meinem Gedächtnis haften.

Keiner braucht sich die Mühe machen mir etwas zu erzählen, ich höre sowieso nicht zu. Wichtig allein ist das was ich sage. Ich habe viel zu erzählen, schließlich habe ich in meinem Leben viel erlebt. Außerdem bin ich so alt, dass ich alles weiß. Jeder, der mehr als fünf Jahre jünger ist als ich muss das wissen und sich an die Regel halten, dass er mich in meinem Redeschwall nicht unterbrechen lasse um eine Gegenteilige Meinung zu sagen. Da ich weiß, dass ich Recht habe, lasse ich ihn überhaupt nicht zu Wort kommen und rede einfach weiter, wenn jemand den Ansatz macht etwas dazu zu sagen.

Manchmal lese ich auch Zeitung. Diese Zeitung muss gewisse Ansprüche erfüllen. Sie muss fette, reißerische Schlagzeilen beinhalten. Die Schrift muss so groß sein, dass man sie auch mit meinen alten trägen Augen auch ohne Brille lesen kann. Jeder Artikel muss kurz sein, sonst wird er zu langweilig. Über Politik soll diese Zeitung möglichst wenig schreiben. Ich interessiere mich nur davon, wenn gerade in der Politik viel passiert, dass die ganze Bevölkerung betrifft. Zum Beispiel wenn ein Politiker mal wieder arme streunende Katzen an Zoos verkaufen will. Die Sprache der Artikel muss so einfach sein, dass sie jeder versteht, auch ich. In dieser Zeitung muss oft angesprochen werden, wie Ausländer unser gut funktionierendes Sozialsystem zerstören. Nur dann bin ich bereit einen dreiseitigen Artikel zu lesen.

Um informiert zu sein ist es wichtig für mich zu wissen, wo in unserem kleinen Bezirk ein Verbrechen begangen wurde. Zum Glück gibt es genug solcher Zeitschriften.
Neugierig bin ich auch. Ich beobachte alle Menschen in ihren Fenstern, so bin ich informiert was in meiner Umgebung so alles passiert. Erfahre ich etwas Neues und interessantes über eine Person, so kann sie sich sicher sein, dass sich diese Neuigkeit am nächsten Tag um fünfzig Häuserblocks weiter verbreitet hat.

Natürlich werden auch Gerüchte von mir in die Welt gesetzt. Es ist immer lustig zu beobachten, wie sich Leute danach in die Haare kriegen.

Ich werde die alte Frau auf der Parkbank sein, die die Tauben füttert.Und weißt du was? Ich find die Vorstellung gar nicht mal so übel. Die Tauben? Auja, die werden sich freuen.


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Günter Hofstädter06-Jan-2007 03:59
na ich werd dann auch mal die Tauben füttern !
Agnes T. Ackerl04-Jan-2007 18:41
The whole text? :-O
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